Künstliche Intelligenz, Smart Wearables und Biowearable Tech bestimmten die Produktneuheiten auf der diesjährigen B2B Medizintechnik-Messe Medica in Düsseldorf. Welche Trends uns im Bereich der digitalen Gesundheitstechnologie zukünftig erwarten.
Einen Schwerpunkt der weltführenden Medizinmesse MEDICA bilden medizintechnische Geräte und Produkte. Dazu zählen z. B. bildgebende Verfahren.
Ob KI-gestützte Software zur Entscheidungsunterstützung und Frühdiagnostik, Smart Wearables für eine gesündere, proaktive Lebensführung oder Biowearables zum Management chronischer Krankheiten – die diesjährige MEDICA in Düsseldorf zeigte das gesamte Spektrum der aktuellen HealthTech Innovationen, mit denen sich die Produktivität der medizinischen Versorgung in Krankenhäusern, der Verwaltung und die Qualität der Pflege verbessern lässt. Nicht zuletzt liefern viele der HealthTech Novitäten auch neue Erkenntnisse über Medikamente und Behandlungen.
Insbesondere im Medica Connected Healthcare Forum (MCHF) konnten sich die Messebesucher einen Eindruck von den gegenwärtigen Trends der digitalen Gesundheitstechnologie verschaffen: ob Health-Metaverse, Robotik am Krankenhausbett oder im OP-Saal, KI-Unterstützung bei der Diagnostik, Pflege und Telemedizin oder Softwarelösungen für neue Versorgungsmodelle von der Ambulanz bis zum virtuellen Krankenhaus.
HealthTech Innovation Cup: vom Smart Glove bis zum KI-Smartband
Was technologisch im Gesundheitssektor inzwischen alles möglich und machbar ist, demonstrierte eindrucksvoll der 15. Healthcare Innovation World Cup gleich zu Messebeginn. Bei der Preisverleihung wurden aus über 300 Einreichungen aus 50 Ländern die Top 12 Health Techpreneure 2023 ausgewählt und vorgestellt: Unter den präsentierten Innovationen waren u.a. intelligente Biowearable-Pflaster für die Nierengesundheit, ein KI-gesteuertes Smartband für Tiefschlaf und Konzentration und mit „SenseGlove“ überdies ein intelligenter Handschuh zur Erkennung und Überwachung von Brustkrebs im Frühstadium.
Smart Wearables dominieren
Auch ein robotisches Exoskelett für Menschen mit neurologischen Gangstörungen sowie eine intelligente endoskopische Kapsel für die Fernuntersuchung des Magen-Darm-Trakts waren unter den Live-Pitches. Insgesamt dominierten aber die Smart Wearables, nicht zuletzt auch solche für die Patientenüberwachung in akuten klinischen Phasen sowie Softsensorik für intelligente Wearables im Gesundheitswesen.
Am Ende entschied sich die Expertenjury an Hand der Kriterien Innovation, Markteinführungsstrategie, kommerzielles Potenzial und Nachhaltigkeit für drei Gewinner aus Deutschland, Dänemark und Schweden: Den ersten Platz belegte dabei die deutsche DiamonTech AG mit „D-Pocket“, einer Lösung für präzise, schmerzfreie Blutzuckermessung, gefolgt vom dänischen Ventriject mit „Seismofit“ zur zuverlässigen Schätzung der kardiorespiratorischen Fitness. Den dritten Platz belegte Medituner für die digitale Überwachung und Bewertung von Asthma.
Smart Clothing Solutions können unterschiedlichste Funktionen erfüllen.
Hervor stach vor allem der Markttrend zu tragbarer Gesundheitstechnologie: Dieser wächst und differenziert sich zunehmend weiter aus – mit unterschiedlichsten Anwendungsmöglichkeiten, sowohl für das akute Krankheitsmanagement als auch zur Prävention und Optimierung sportlicher Performance. Besonders neu ist hier wohl vor allem der Bereich rund um intelligente Textilien, d.h. Stoffe und Kleidung mit integrierter Elektronik und Biosensorik.
Sie können nicht nur im Arbeitskontext für mehr Sicherheit eingesetzt werden, sondern beispielsweise auch bei Patienten mit Gleichgewichtsstörungen oder Seheinschränkungen, indem sie haptische Feedbacks liefern. „Solche Smart Clothing Solutions können unterschiedlichste Funktionen erfüllen“, erklärte Nadia Kang, CMO des taiwanesischen Unternehmens AiQ Smart Clothing, und führte aus: „etwa als Biosensoren, die Vitaldaten erfassen, zur gezielten elektrischen Muskelstimulation (EMS) oder zum Bewegungsmonitoring.“ Mit der deutschen KOB GmbH und elitac Wearables aus den Niederlanden präsentierten sich auch etliche europäische Hersteller aus dem Bereich medizinisch intelligenter Textilien.
Biowearables helfen beim Chronic Disease Management (CDM)
Medizinische Wearables verändern die Versorgung von Patienten nachhaltig. Für das chronische Krankheitsmanagement von Herzkreislauferkrankungen und Diabetes haben sich bereits seit längerem Smart Wearables etabliert: Hier wie auch für andere medizinische Anwendungsfälle geht der Trend jedoch nun stark in Richtung Biowearables, d.h. Sensorik, die teils über, teils unter der Haut liegt und wie ein Pflaster mittels Textilpatch am Körper befestigt wird. Bekannt sind hier vor allem die Glukose-Messgeräte zum Diabetesmanagement von Abbott, deren Sensoren mit dem Kreislauf gekoppelt sind und inzwischen den Massenmarkt erobern.
Wearables liegen im Trend und können die Patientenversorgung nachhaltig verändern.
Während simple Health Patches einfach nur Vitalwerte, Blutzucker oder Körpertemperatur erfassen, können aufwendigere Patches mit Injektoren und Pumpen kombiniert sein, etwa für bedarfsorientierte Insulingaben ohne Spritze. Hersteller wie z.B. Lohmann stellten hier besonders hautfreundliche, lang haltende Patches für die kontinuierliche Blutzuckermessung (CGM) vor. DuPont zeigte äquivalente Prototypen für smarte Biosensorik Patches im Bereich der kardiovaskulären Funktionen. Für den Bereich der gedruckten Elektronik war beispielsweise mit Quad Industries ein Anbieter vor Ort, der kohlenstoffverstärkte, jedoch hydrogelfreie Elektrodenpflaster entwickelt.
Analyse und Überwachung unterschiedlicher Körperfunktionen
Doch das sind bei weitem nicht die einzigen Anwendungsgebiete: So können smarte Wearables und Biowearables z.B. auch zur Überwachung der Atmung, des Gehirns und der Muskeln eingesetzt werden, wie der Schweizer Anbieter CSEM zeigte. Auch eine Analyse von Bewegung und Gang, Biomarkern oder Haut- und Körpertemperatur ist bereits möglich. Hier kommt außerdem KI ins Spiel, denn die so erfassten Patientendaten erlauben ganz neue Erkenntnisse und Prognosen zu Gesundheitsverläufen und Behandlungserfolgen.
KI-Unterstützung in allen klinischen Bereichen
Das Vermögen künstlicher Intelligenz (KI) geht im Gesundheitssektor jedoch weit über die Analyse unserer Vitalparameter oder unseres Schlafverhaltens hinaus. Im klinischen Setting verbessern KI-Analysen z.B. die Diagnostik und Frühdiagnostik. Was in der Radiologie und Teleradiologie schon länger genutzt wird, findet in anderen klinischen Disziplinen nun ebenfalls verstärkt Einsatz. So zeigte der koreanische Hersteller HicareNet auf der Messe beispielsweise KI-Modell-Analysen zur Diagnose von Atemwegserkrankungen mittels AI. Hierbei werden Geräusche wie Atmen und Husten überwacht und ausgewertet.
KI kann auch als Unterstützungssystem bei der Analyse chirurgischer Bilder fungieren, indem sie in Operationsverläufen bestimmte Organe hervorhebt und so das Erkennen anatomischer Strukturen erleichtert. Gerade bei laparoskopischen und robotisch assistierten Eingriffen ist dies von Vorteil. Das zeigte z.B. das japanische Unternehmen Jmees mit seinem KI-basierten Unterstützungstool SurVis, das gezielt Organe wie z.B. die Blase beim OP-Vorgang markiert.
Das „Elektronenmikroskop für die Hosentasche“ von Meiluft soll kleinste Teilchen in der Luft und in Flüssigkeiten helfen aufzuspüren. Der Sensor mREM ermöglicht es, Teilchen im Bereich von 100 nm und kleiner bildlich darzustellen und über eine KI zu erkennen.
„KI kommt – und wir müssen uns an sie gewöhnen“
„Wir werden uns an autonome KI für Routineaufgaben im Gesundheitswesen gewöhnen“, erklärte Pia Maier von Medtronic auf dem Expert Panel „Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen: US & EU Einblicke“ mit Blick auf die Ärzte. „Alles hängt von unserer Fähigkeit ab, Daten so effektiv wie möglich zu analysieren und zu nutzen“, betonte in derselben Gesprächsrunde Dianne Farrell, Vertreterin der Regierung der Vereinigten Staaten. Es sei wichtig, früh im Prozess zu beginnen „die richtigen, nützlichen und kooperativen Wege zur Nutzung unserer Daten zu finden“. Dieser Diskurs müsse auch mögliche Missbräuche von Gesundheitsdaten umfassen.
Datenqualität wird darüber entscheiden, wie gut unsere KI-Erfahrung sein wird.
Einstimmig waren sich die Diskutanten darin, dass Ärzte sich KI nicht verschließen und diese nach Möglichkeit vielseitig ausprobieren sollten. Dabei komme es nicht zuletzt auf die Qualität der Daten an: „Datenqualität wird darüber entscheiden, wie gut unsere KI-Erfahrung sein wird“, urteilte Alexander Olbrechts, Director Digital Health bei MedTech Europe.
In Zusammenhang mit 3D-Modellierung und 3D-Druck werden KI-Lösungen im klinischen Bereich zudem für patientenspezifisch angefertigte Präzisionsimplantate eingesetzt. Die Spannbreite reicht hier von Schädelplastiken bis hin zu Substituten für Knochen und Muskeln. Koreanische Hersteller wie z.B. seeann und CUSMEDI stellten hierzu Softwarelösungen vor.
Robotik und Hilfen für Pflege und Reha
Auch für den Plegebereich gab es auf der MEDICA etliche Innovationen zu entdecken: Das Robotikunternehmen German Bionic stellte beispielsweise sein neues Exoskelett Apogee+ für die Pflege vor. Dabei handelt es sich um einen Kraftanzug, der ursprünglich in der Logistik eingesetzt wurde und nun speziell zur Unterstützung von Pflegekräften angepasst wurde. Ziel ist die Entlastung beim Heben und Bewegen von Patienten und Pflegebedürftigen, etwa vom Krankenhausbett in den Rollstuhl, für medizinische Untersuchungen oder beim Umziehen. So soll der Pflegeberuf gesünder und nachhaltiger gestaltet und dem Fachkräftemangel in Kliniken und Pflegeeinrichtungen entgegengewirkt werden.
Im PhysioTech Bereich überzeugten Anbieter wie z.B. neofect vor allem durch Biofeedback-Trainingsgeräte wie z.B. Smart Gloves und intelligente Balance Boards. Mit diesen lassen sich Balance, Bewegungsumfang und Koordination von Patienten verbessern. Hilfreich ist das zum Beispiel nach einem Schlaganfall, bei Multipler Sklerose, Parkinson, Rückenmarksverletzungen sowie bei neurologischen oder geriatrischen Gleichgewichtsstörungen.
HealthTech Innovationen für das (virtuelle) Krankenhaus
Nicht zuletzt drehte sich auf der diesjährigen MEDICA vieles um die digitale Unterstützung von Krankenhausprozessen nebst Patientenversorgung: Der Anbieter RateNow Health stellte beispielsweise ein intelligentes Patientenfeedback-Tool vor, das die Patientenerfahrung vor und nach dem Krankenhausbesuch kontinuierlich misst und automatisiert analysiert. Für die Fernüberwachung von Patienten in der klinischen Nachsorge stellten Anbieter wie accuhealth. umfassende Ökosysteme zum Remote Patient Monitoring (RPM) vor, bestehend aus Software und Medizintechnikgeräten.
Auch für die nachhaltige Optimierung der Krankenhauslogistik und Ressourcenverfolgung gibt es inzwischen vielfältige Softwarelösungen: Das dänische Unternehmen Lyngsoe Systems zeigte mit „X-Tracking“ etwa eine skalierbare Logistik-Tracking-Lösung, mit der sich Medizingeräte, Sterilgüter und Personen gleichermaßen innerhalb des Krankenhauses und sogar über viele Kliniken hinweg verfolgen lassen. Weitere Novationen für ein intelligentes Krankenhaus waren tragbare medizinische IoT-Überwachungssysteme und Telemetriegeräte mit der Möglichkeit der Ortung in Innenräumen.
Auf der Medica-Ausstellungsfläche „Hospital of the Future“ wurden zudem u.a. Plattforminfrastrukturen vorgestellt, mit denen sich der Krankenhausbesuch patientenseitig bereits von zuhause planen lässt – nicht zuletzt, um klinikseitig Ressourcen und Personalkosten einsparen zu können. So können Krankenhäuser ab 2024 ihrer Verpflichtung nachkommen, ein Portal für Ärzte und Patienten anzubieten.
Quelle: Anna Engberg 2023. Thieme