Es war klar, dass es eine knappe Entscheidung werden würde. Am Ende fehlten nur fünf Stimmen, um die höchst umstrittene Krankenhausreform in den Vermittlungsausschuss zu überweisen. Damit kann Lauterbachs Prestigeprojekt Anfang 2025 in Kraft treten.
Spannend bis zum Schluss war es heute im Bundesrat, in dem die Länder über die Krankenhausreform abstimmten. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) ging vor der Sitzung noch ins Gespräch mit zahlreichen Länderkolleginnen und -kollegen. Bereits gestern wurde bekannt, dass Niedersachsen – das ursprünglich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses stimmen wollte – in der momentanen politischen Gesamtsituation dem Reformvorhaben heute keine Steine in den Weg legen würde.
Damit wurde die Luft eng: Denn um das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) in den Vermittlungsausschuss zu überweisen, waren 35 der 69 Länderstimmen nötig. Unmittelbar vor der Abstimmung erfolgte ein weiterer Paukenschlag: Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) entließ seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne), die sich im Vorfeld gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses positioniert hatte. Damit ebnete er den Weg zu Brandenburgs „ja“ bei der Abstimmung zur Anrufung des Vermittlungsausschusses.
Gereicht haben die Stimmen am Ende dennoch nicht. Die Bundesländer haben Lauterbachs Reform im Länderparlament schließlich zugestimmt. Während Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Sachsen für die Anrufung gestimmt haben, haben sich Schleswig-Holstein und Hessen enthalten. Thüringens Stimmen konnten nicht gezählt werden, weil kein einheitliches Votum abgegeben wurde. Aber selbst mit den vier Stimmen aus dem Freistaat hätte es nicht für die Anrufung des Vermittlungsausschusses gereicht.
12 Redner – lange unklarer Ausgang
Allein die Anzahl der Redner – insgesamt zwölf – vor der Abstimmung zeigt, wie wichtig das Thema für die Länder war und (noch) ist. Und wie höchst kontrovers sie die Reform bewerten, obwohl sich im Kern alle einig sind, dass es einer Reform bedarf und diese „alles andere als perfekt“ sei, so Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD). Bis zuletzt war unklar, wie sich einzelne Länder – darunter Brandenburg und Thüringen – abstimmen würden.
Schleswig-Holsteins Ministerin für Justiz und Gesundheit, Kerstin von der Decken (CDU), kritisierte in einem klaren Statement vor ihren Kolleginnen und Kollegen, dass die Reform alle gesteckten Ziele des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) – Qualitätssteigerung, Entbürokratisierung, Entökonomisierung – nicht erreichen werde. Sie warb für die Anrufung des Vermittlungsausschusses als letzte Chance, „um die groben Fehler im Gesetz zu korrigieren“. Umso überraschender war, dass sich Schleswig-Holstein am Ende bei der Stimmabgabe enthalten hat.
Ins gleiche Horn wie von der Decken stießen Dr. Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Auch Baden-Württemberg sprach sich für die Anrufung des Vermittlungsausschusses aus und warb für dieses. Weniger überraschten die Wortbeiträge aus Bayern und NRW, übten die beiden Gesundheitsministerien doch von Anfang an stete Kritik an dem Gesetz – trotz der fast 50 Änderungsanträge, die noch aufgenommen wurden. Laumann argumentierte – wie in den vergangenen Wochen – damit, dass die „Punkte, die verändert werden müssen, nicht durch eine Verordnung lösbar sind“. Dazu zählen für ihn die Facharzt-Vorgaben, die starren Ausnahmemöglichkeiten, die strikten Qualitätsvorgaben und die Forderung nach einer Überbrückungsfinanzierung.
Niedersachsen hat trotz zahlreicher Appelle und Warnungen der Krankenhäuser ein nicht praxistaugliches Gesetz im Bundesrat durchgewunken.
Am Ende der Sitzung lieferten er und Bundesgesundheitsminister Lauterbach sich einen persönlichen Schlagabtausch, der die verhärteten Fronten noch einmal deutlich vor Augen führte. Lauterbach fand deutliche Worte: „Das Gesetz wäre wertlos, wenn der Vermittlungsausschuss angerufen würde.“ Er warnte die Länder davor, diese Karte zu ziehen. Wenn der Vermittlungsausschuss käme, hätte der Bund kein Interesse mehr an der Reform: „Dafür stehen wir als Bundesregierung nicht zur Verfügung.“ Eventuell war auch diese klare Haltung ausschlaggebend für das ein oder andere Länder-Votum. Denn: Dr. Magnus Jung (SPD) aus dem Saarland und Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) hoben in ihren Statements darauf ab, dass in der derzeitigen politischen Gemengelage die Anrufung des Vermittlungsausschusses das Aus für das KHVVG sei.
Doch es gab noch weitere Fürsprecher der Krankenhausreform. Stefanie Drese, Clemens Hoch (SPD) aus Rheinland-Pfalz und Jung, plädierten dafür, endlich zu starten und den bisherigen Prozess nicht aufs Spiel zu setzen. Hoch wies darauf hin, dass die Länder nur mit der Reform das dringend benötigte Geld – immerhin acht Milliarden Euro pro Jahr – bekämen.
Überraschend sprach sich auch Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi deutlich dafür aus, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Damit legte er eine 180-Grad-Wende hin, war er vor dem Ampel-Aus doch auch noch dafür, das Gesetz im Ausschuss nachzubessern. Darüber zeigte sich die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) enttäuscht. „Die Kliniken in Niedersachsen hatten das Land zuvor wiederholt aufgefordert, sich für ein Vermittlungsverfahren einzusetzen, um möglichst kurzfristig dringend notwendige Nachbesserungen am KHVVG zu ermöglichen“, kritisierte NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke die Entscheidung seiner Landespolitiker. „Niedersachsen hat trotz zahlreicher Appelle und Warnungen der Krankenhäuser ein nicht praxistaugliches Gesetz im Bundesrat durchgewunken“, erklärte er weiter.
Hessen, das in den vergangenen Wochen und Tagen immer wieder als das Zünglein an der Waage gehandelt wurde, enthielt sich der Stimme, hielt aber ein Plädoyer für die Reform und zeigte vor allem die Vorteile für die Uniklinika auf, die die Verabschiedung der Reform begrüßen.
Forderungen nach Nachbesserungen werden laut
Aus Bayern ist geeintes Bedauern bezüglich der Bundesratsentscheidung zu vernehmen. Während Gesundheitsministerin Gerlach heute als „schlechten Tag für die Krankenhäuser in Deutschland, vor allem aber auch für die Patientinnen und Patienten“ sah, stellte ihre Parteikollegin Emmi Zeulner Deutschland „ein Armutszeugnis“ aus und postulierte: „Wenn Politik das genaue Gegenteil macht von dem, was die Menschen im Land wollen … Der Anfang vom Ende!“ Beide bekamen Unterstützung der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), die ebenfalls dringend Nachbesserungen am Gesetz forderte: „Wir sehen nun eine neue Bundesregierung in der Pflicht, die handwerklichen Fehler dieser Krankenhausreform rasch nachzubessern, denn die Kliniken benötigen schnell Sicherheit bei den neuen komplizierten Regelwerken“, so Tamara Bischof, 1. BKG-Vorsitzende. BKG-Geschäftsführer Roland Engehausen ist sich sicher: „Ohne schnelle Nachbesserung sind Insolvenzen von bedarfsnotwenigen Kliniken aus wirtschaftlicher Not nicht zu vermeiden.“
Wenn Politik das genaue Gegenteil macht von dem, was die Menschen im Land wollen … Der Anfang vom Ende!
Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) prangerte an, dass die finanzielle Situation der Kliniken im Land dramatisch sei und sich weiter zuspitze und die Bundesregierung hier nichts unternehme. „Im Gegenteil: Sie setzt die Unterfinanzierung bewusst als krankenhauspolitisches Instrument ein“, erklärte BWKG-Vorstandsvorsitzender Heiner Scheffold. „Die Unterfinanzierung ist somit das strukturbestimmende Element der Krankenhausreform und ihre Wirkung ist schon jetzt spürbar. Alles andere, was in der Reform steht, wird erst in Jahren wirksam werden, wenn überhaupt“, machte er deutlich.
Die Berliner Krankenhausgesellschaft kritisierte die Enthaltung des Landes Berlin heute im Bundesrat an und forderte, dass die 130 Millionen Euro jährlich für den Transformationsfonds auch wirklich bereitgestellt werden müssten. „Diese Mittel müssen den Krankenhäusern auch in finanziell angespannten Zeiten tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Es ist völlig offen, wie Berlin diese zusätzlichen Mittel bereitstellen kann. Eine Krankenhausreform ohne Refinanzierung der Umbaukosten ist undenkbar. Auch hier ist schnell zu klären, wie diese Verpflichtungen vom Land Berlin oder vom Bund erfüllt werden können“, erklärte Geschäftsführer Marc Schreiner.
Auch die Dachorganisation, die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), ist nicht glücklich über den Abstimmungsausgang und ist sich sicher, dass sich damit die Versorgung in Deutschland nicht verbessere, sondern verschlechtere – in manchen Regionen sogar wegbreche. Ihr Vorstandsvorsitzender, Dr. Gerald Gaß, hob noch einmal darauf ab, dass die Vorhaltefinanzierung kein einziges Krankenhaus im ländlichen Raum sichere und keine Insolvenz vermeide. Er forderte: „Die neue Bundesregierung braucht auch einen radikalen Neustart im Gesundheitsressort, um dieses untaugliche Reformgesetz umgehend zu Beginn der Legislaturperiode nachbessern zu können. Karl Lauterbach selbst hat immer wieder betont, keine Kompromisse und Nachbesserungen bei seinem Gesetz machen zu wollen. Er steht deshalb für die notwendigen Veränderungen nach der Bundestagswahl wohl auch nicht mehr zur Verfügung.“
Die neue Bundesregierung braucht auch einen radikalen Neustart im Gesundheitsressort, um dieses untaugliche Reformgesetz umgehend zu Beginn der Legislaturperiode nachbessern zu können.
Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt sieht die Aufgaben von Bund und Ländern nach der heutigen Entscheidung noch lange nicht als beendet an. „Diese Reform weist unter anderem im Hinblick auf die Krankenhausplanung, auf die Sicherung der flächendeckenden Grundversorgung und die nachhaltige Finanzierung unserer Kliniken noch zahlreiche Leerstellen auf, die in den nächsten Wochen und Monaten geschlossen werden müssen. Die Reform kann nur gelingen, wenn der Bund mit den Ländern zusammenarbeitet und stärker als bisher auf die Hinweise aus der Praxis hört.“ Ein versteckter Hieb in Richtung BMG, dem im Laufe der Verhandlungen immer wieder vorgeworfen wurde, die Praktiker und die Länder nicht genug einzubinden. Reinhardt appellierte an Bund und Länder „in den nächsten Monaten trotz Wahlkampf und Regierungsbildung sachorientiert“ an Lösungen zu arbeiten. Ob dies gelingen kann, scheint jedoch fraglich.
Von der Decken ist schon im Wahlkampfmodus und zeigte sich enttäuscht von der Entscheidung: „das nicht mehr fachliche, sondern offenbar politische Erwägungen ausschlaggebend waren, diesen (Anm. d. Red. den Vermittlungsausschuss) nicht anzurufen, bedauere ich zutiefst. Ich bin überzeugt, dass wir dort konstruktiv notwendige Verbesserungen hätten erzielen können.“ Auch der Katholische Krankenhausverband Deutschland (KKVD) sieht in der heutigen Entscheidung einen bitteren Rückschlag. KKVD-Geschäftsführerin Bernadette Rümmelin findet die Entscheidung „enttäuschend und frustrierend“, denn das Gesetz lasse viele Probleme ungelöst und ersetze alte Fehlanreize durch neue.
Und auch die ersten Krankenkassen meldeten sich bereits zu Wort. Die Innungskrankenkassen (IKK) sehen die Reform weiterhin kritisch, hieß es heute aus Berlin. Ähnlich wie der AOK-Bundesverband und der GKV-Spitzenverband bewerten sie vor allem den Transformationsfonds und die hälftige Finanzierung durch Beitragszahler verfassungsrechtlich als bedenklich. „Wir appellieren daher eindringlich an die neue Regierung diesen offensichtlichen Irrweg zu beenden und die Finanzierung der Krankenhausreform bzw. des Transformationsfonds hierbei auch noch einmal konsequent zu überdenken! Die Kosten der Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft fallen als Investitionskosten in die Finanzierungsverantwortung der Länder. Wenn der Bund in die Finanzierung einsteigt, hat dies über Steuermittel zu erfolgen und darf keinesfalls zu Lasten der GKV bzw. den Beitragszahlenden gehen“, erklärte IKK-Geschäftsführer Jürgen Hohnl. Die Techniker Krankenkasse (TK) sieht in der heutigen Entscheidung des Bundesrates hingegen einen zentralen Schritt in Zeiten des politischen Stillstandes.
Freude vor allem in SPD-geführten Ländern
Bei aller Kritik, es gab auch Stimmen, die dieses Abstimmungsergebnis befürworteten. Bremens Senatorin Bernhard erkannte dieses Votum als „ersten gemeinsamen Schritt“ hin zu einer Steigerung der Behandlungsqualität und einer flächendeckenden sowie effizienteren medizinischen Versorgung an.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) begrüßte direkt im Anschluss an die Sitzung ausdrücklich die Entscheidung des Länderparlaments gegenüber den anwesenden Pressevertretern. „Es ist gut und richtig, dass diese Reform jetzt heute hier beschlossen wurde.“ Sie ist sich sicher, dass „die Krankenhausreform die Qualität der Versorgung der Patienten verbessert“ und dafür Sorge trägt, „dass die Krankenhäuser im ländlichen Raum, die für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung wichtig sind, erhalten bleiben können.“ Sie betonte noch einmal, dass mit mit dem KHVVG pro Jahr acht Milliarden Euro in die Krankenhäuser investiert werden.
„Die Krankenhausreform ist heute vom Deutschen Bundesrat beschlossen worden. Das ist ein sehr guter Tag für alle Patientinnen und Patienten“, erklärte Bundesgesundheitsminister Lauterbach im Anschluss an den Abstimmungskrimi. Er betonte besonders die Spezialisierung und die Öffnung der Kliniken auf dem Land für die ambulante fachärztliche Versorgung als Verbesserungen, die die Reform nun bringe und dankte allen Bundesländern, „die heute diese große Reform mit ins Ziel getragen haben“.
Der Klageweg ist noch offen
Wie an der Reaktion der IKK bereits abzulesen ist, könnten nun die Krankenkassen gegen die geplante hälftige Finanzierung des Transformationsfonds gerichtlich vorgehen. Auch Bayerns Gesundheitsministerin Gerlach kündigte – unterstützt von anderen CDU-Ländern – bereits vor Monaten an, möglicherweise gegen die Krankenhausreform vor dem Bundesverfassungsgericht Klage einreichen zu wollen. Das letzte Wort ist damit womöglich noch nicht gesprochen.
Quelle: Alexandra Heeser (Freie Journalistin) 2024. Thieme
Ein Klinikum soll so zugänglich sein wie möglich. Diesen Umstand machten sich mehrere Diebe in München jetzt zu Nutze und entwendeten teure medizinische Geräte aus einem Krankenhaus.
Vermutlich über die Notaufnahme verschafften sich zwischen dem 20. und 21 Juli Personen Zugang zum Harlachinger Krankenhaus in München. Die Unbekannten stahlen dabei medizinische Geräte im Wert von rund 400 000 Euro.
Die Polizei geht nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass die Täter die Klinik durch die Notaufnahme betraten und von dort in die Untersuchungsräume weiterzogen. Dort nahmen sie den Angaben zufolge unter anderem endoskopische Geräte mit.
Wie es ihnen gelang, diese unbemerkt aus dem Krankenhaus zu befördern, war am 24. Juli zunächst unklar. Die Polizei ermittelt.
Quelle: dpa/hnle