Mit einem Gesetzentwurf will die Bundesregierung LieferengpĂ€ssen bei Medikamenten entgegenwirken. Mit Anreizen beim Preis, einem FrĂŒhwarnsystem und neuen Regeln in der Apotheke. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Medikamenten fĂŒr Kinder.
Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines âGesetzes zur BekĂ€mpfung von LieferengpĂ€ssen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimittelnâ (ALBVVG) beschlossen. Seit mehr als zehn Jahren werde in RegelmĂ€Ăigkeit ĂŒber LieferengpĂ€sse bei Arzneimitteln berichtet, sagte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach bei der Bundespressekonferenz. Es werde mit Selbstverpflichtungen gearbeitet, âaber die Lage ist ĂŒber Jahre hinweg schlechter geworden und nicht besserâ.Â
Abhilfe soll nun das neue Gesetz schaffen. Im Fokus sind vor allem die Arzneimittel fĂŒr Kinder. âKinder zuerst, das ist ein Motto meiner gesamten Regierungsarbeitâ, betonte Lauterbach â damit meinte er beispielsweise die im Oktober angekĂŒndigte finanzielle Entlastung fĂŒr die Kinderkliniken. Im Fall der Arzneimittel sollen Fest- und RabattvertrĂ€ge abgeschafft werden. Die pharmazeutischen Unternehmer können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages bzw. Preismoratoriums-Preises anheben. Damit werde es fĂŒr die Arzneimittelfirmen âinteressanter, Arzneimittel fĂŒr Kinder in Deutschland zu liefern oder gar zu produzierenâ, sagte Lauterbach. Krankenkassen ĂŒbernehmen die entsprechenden Mehrkosten von Ă€rztlich verordneten Arzneimitteln. ZukĂŒnftig dĂŒrften keine Festbetragsgruppen mehr mit Kinderarzneimitteln gebildet werden.Â
Ein weiterer Bestandteil des Gesetzes ist die Senkung des Preisdrucks durch Zuzahlungsbefreiungsregeln. Statt heute 30 Prozent liegt die Zuzahlungsbefreiungsgrenze kĂŒnftig bei 20 Prozent. Das bedeutet: Liegt der Preis mindestens 20 Prozent unter Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen. Der Preisdruck bei FestbetrĂ€gen wird dadurch gedĂ€mpft. Dies sei eine wesentliche Verbesserung, weil es die Gewinnmarge deutlich verbessere, so Lauterbach.Â
Mehr Produktion in Europa
Auch die Herstellung in Europa soll angekurbelt werden. Die Vielfalt der Arzneimittelanbieter soll erhöht und damit die Arzneimittellieferketten mehr diversifiziert werden. EuropĂ€ische Produzenten sollen daher â zunĂ€chst bei Antibiotika â stĂ€rker zum Zug kommen. Die Krankenkassen sollen verpflichtet werden, bei ihren RabattvertrĂ€gen Hersteller mit Wirkstoffproduktion in der EU und im europĂ€ischen Wirtschaftsraum zusĂ€tzlich zu berĂŒcksichtigen.Â
AuĂerdem soll die Verpflichtung zur Lagerhaltung bei Arzneimitteln erhöht werden, bei Antibiotika auf sechs Monate, bei anderen Medikamenten auf drei Monate. Krankenhausapotheken sollen einen Sicherheitspuffer fĂŒr EngpĂ€sse anlegen. ErgĂ€nzend sollen vorhandene Strukturen zur BewĂ€ltigung von LieferengpĂ€ssen bei Arzneimitteln gestĂ€rkt werden. Das Bundesinstitut fĂŒr Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll zusĂ€tzliche Informationsrechte unter anderem gegenĂŒber Herstellern und Krankenhausapotheken erhalten. Zur Erkennung von drohenden LieferengpĂ€ssen wird ein FrĂŒhwarnsystem eingerichtet.Â
GKV fordert weitergehende Bevorratungspflichten
Im Hinblick auf den Gesetzentwurf Ă€uĂert der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) Bedenken. Es sei gut, dass die Politik bei den LieferengpĂ€ssen angehe, sagt GKV-Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis. FĂŒr den Verband stehe an erster Stelle, dass mit den geplanten gesetzlichen Ănderungen auch tatsĂ€chlich eine gesicherte Verbesserung der VerfĂŒgbarkeit von Arzneimitteln einhergehe. âWir sind allerdings skeptisch, ob dieses Ziel mit den vorgesehenen MaĂnahmen erreicht werden kann, denn die Bundesregierung setzt hierfĂŒr alles auf eine Karte: mehr Geld fĂŒr die Pharmaindustrie. Aber mehr Geld schafft nicht zwangslĂ€ufig mehr Liefersicherheitâ, so Stoff-Ahnis.
Liefer- und Versorgungsprobleme bei Arzneimitteln hĂ€tten vielfĂ€ltige, meist globale Ursachen, so der Spitzenverband. Es werde keine Lösung sein, einseitig die Versichertengemeinschaft in Deutschland zu belasten. Aus Sicht des GKV-Spitzenverbands bedarf es unter anderem einer Verbesserung der Informations- und Datenlage, wie beispielsweise in Form einer tagesaktuellen Datenbasis zur VerfĂŒgbarkeit von Arzneimitteln. AuĂerdem weitergehende Bevorratungspflichten auf allen Handelsstufen, wobei neben den krankenhausversorgenden Apotheken auch der pharmazeutische GroĂhandel mit einzubeziehen sei.Â
âMaĂnahmen werden Versorgung nicht verbessernâ
Kritisch Ă€uĂert sich auch der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH). GrundsĂ€tzlich werde der VorstoĂ der Regierung begrĂŒĂt. âDoch leider werden die aktuell angedachten MaĂnahmen die Versorgung mit Arzneimitteln nicht verbessernâ, sagt BAH-HauptgeschĂ€ftsfĂŒhrer Dr. Hubertus Cranz. Die vorgeschlagenen Regelungen wĂŒrden grundlegende Probleme unberĂŒcksichtigt lassen. Vielmehr handele es sich um halbherzige, komplizierte MaĂnahmen allenfalls zu Teilaspekten. âDie MaĂnahmen werden daher nicht zu der notwendigen Diversifizierung in den Lieferketten aller Arzneimittel und somit nicht zu einer umfassenden Verringerung von AbhĂ€ngigkeiten fĂŒhren. Hinzu kommen zusĂ€tzliche Belastungen fĂŒr die Arzneimittel-Hersteller durch erhöhte Anforderungen bei der Bevorratung. Besonders enttĂ€uschend ist, dass der dringend notwendige Inflationsausgleich fĂŒr preisregulierte Arzneimittel nur unzureichend vorkommtâ, ergĂ€nzt Cranz.
Quelle: BMG/Bundesregierung/GKV-Spitzenverband/BAH/hgl
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